Und da jetzt nachts noch hinmüsste und Kröten einsammeln und zum Teich bringen. Aha, ihre neueste Smartaging-Kur. Nichts hält jünger – und glücklicher – als Gutes tun. Und kaum versehe ich mich, stehe ich um 23 Uhr in einer orangen Weste an einer befahrenen Straße am grünen Zaun. Habe eine Lampe am Kopf und einen weißen Eimer in der Hand. Und versuche angestrengt meiner Tante auf den Fersen zu bleiben. „Der Klimawandel!“ schimpft sie. „Sie wandern jetzt schon!“ Normalerweise beginnt im März und April für die heimische Erdkröte die Paarungszeit. Dann machen sich die Kröten auf Wanderschaft – vom Winterquartier zum Laichgewässer. Unterwegs springt dann schon mal ein Männchen auf und lässt sich fröhlich durch die Gegend zum Ziel tragen. Liegt eine Straße dazwischen war’s das.
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Ich stolpere also nun im Februar durch glibberigen Lehm am grünen Zaun entlang meiner Tante hinterher. Alle zehn Meter wartet ein Blumentopf in die Erde gegraben, mit ein bisschen Laub und einem Stock – und ich bete, es möge bitte keine Kröte drin sein ... „Der Stock ist für die Frösche, dass die rauskrabbeln können,“ erklärt meine Tante, von der ich nicht weiß, in was sie sich in ihrem Leben eigentlich nicht charitymäßig engagiert hat. Sie schützt selbstverständlich die Natur. Für Asylanten tut sie seit 50 Jahren mehr als viel. Und sie hat sogar für Amnesty International Häftlinge in der Todeszelle besucht. Also jetzt laufen wir am Krötenzaun entlang. An dem sie in den nächsten Monaten drei Mal die Woche im Wechsel mit anderen Wildtierschützern Kröten rettet. Erdkröten. Rettet und zählt. Und Statistik führt. „Gehen die Amphibien zurück, steht es schlecht um unsere Welt.“ Und das tun sie.
Die Krötensammelzeit kann man gar nicht mehr so recht abschätzen. Wenn es nämlich wieder kalt wird, dann graben sich die Kröten dort wo sie gehen und stehen einfach im Boden ein und harren auf wärmeren Zeiten, um die Wanderung fortzusetzen.
„Oh“ sagt sie, „ein Doppelpack.“ Holt eine Kröte mit Gewusel auf dem Rücken aus dem Eimer. „Oh“ sagt sie, „nicht gut, das sind mehrere, das mache ich nicht so gerne.“ Ich traue meinen Augen nicht, aber da haben sich drei Kröten-Herren auf dem Rücken der Kröten-Dame festgebissen. „Wenn ich die drauf lasse, geht die Kröte im Teich unter.“ Und unter kräftigen Quak-Protesten pflückt sie zwei der Herren vom Rücken der Dame. „Das Doppelpack ist super! Das setzen wir in das Laichgehege, das am Wasserrand liegt. Dort beobachten unsere Biologen, dass das mit der Fortpflanzung gut funktioniert.“
Wir laufen also den Zaun ab. Gucken in jeden Eimer. Ein kluges Prinzip. Der Zaun hindert die Kröten am über die Straße gehen. Sie suchen am Zaun entlang einen Weg zum ihrem angestammten Laichplatz rüber. Und fallen dann in den Blumentopf mit Laub. Da kommen sie nicht raus, weil sie nicht wie der Frosch springen können. „Musst Du unbedingt mal anfassen. Die fühlen sich an wie Seidenpapier.“ Verzweifelt versuche ich nicht an Verschwörungsgeschichten von Warzen und Hexen und so zu denken. Während die Kröte mit ihrem angewachsenen Gefährten dauernd versucht meinen Eimer zu verlassen. Eine Stunde später bringen wir unsere Sammlerbeute – ein Doppelpack und fünf weitere Krötenmännchen – zum Teich.
Das Doppelpack setzten wir in einen großen Käfig. Der Herr auf dem Rücken wartet, bis die Dame ihre Eier in Laichschnüren im Wasser ablegt. In einer bis zu fünf Meter langen Eiweißhülle sind bis zu 6000 Eier. Die sofort von dem Erdkröten-Männchen besamt werden. Dieser Zeugungsakt kann Stunden bis Tage dauern. Nach getaner Arbeit macht sich das Männchen davon. Nach wenigen Tagen – wenn die Wassertemperatur stimmt – schlüpfen die Kaulquappen und im späteren Sommer wandern dann zehncentgroße Krötenbabys aus dem Laich-Teich und suchen sich einen Platz an Land. Mit drei bis fünf Jahren geschlechtsreif machen sie sich dann auch auf Wanderschaft. So eine Erdkröte lebt – wenn es ihr gut geht – 10 bis 12 Jahre. Und hat man eine im Garten, darf man sich glücklich schätzen. Sie fressen Schneckeneier.
Ich habe diese Nacht sehr gut geschlafen. Und von sechs Prinzen geträumt. Vor denen ich, meinen Rücken mit einem dicken Filzpad schützend, davon gelaufen bin ...