Ich taste mit meiner Zunge an den Zähnen entlang. Gut, meine neue Schiene ist gut aufgehoben. Was hat Bobo da nur? Hoffentlich nur ein Stück Schweineohr. „Bobooooo was frisst Du da?“
Er windet sich im Kreis herum. Es dauert fünf Minuten, bis ich seinen Kopf zu fassen krieg, weitere fünf brauche ich für seine Schnauze, dann öffne ich das kleine freche Mäulchen und geh fischen ... Was ist das denn? Ich hole Wolfs Weihnachtsgeschenk vom letzten Jahr zu Tage. Einer meiner airpod-Hörer. Vielmehr das, was von den hightech-Wunderwerken übrig ist. Ein zerkautes Vermögen an weißem Plastik & Platinen. Das zwar erkennt, oder besser: einmal erkannt hat, dass es sich in meinem Ohr befindet, aber keinen Ton von sich gibt, wenn er in ein Hundemaul wandert. Ich begebe mich in den Vierfüßlerstand. Und erkrieche mir Quadratmeter um Quadratmeter. Alles „Hey-Siri-Rufen“ hilft nix. Im Flur im Erdgeschoss finde ich nach 57 Minuten den airpod-Koffer. Ein wahres Kunstwerk. Nach weiteren 84 Kriechminuten erspäh ich unter der Essbank, im Eck, den in Einzelteile zerlegten zweiten airpod-Hörer. Völlig im Bann, wie der von innen aussieht, schlage ich mir beim Aufstehen gewaltig den Schädel an. Bin aber dermaßen beruhigt, weil ich nicht airpodsausbobosdarumherausoperierend zum Tierarzt muss.
„Woooooolf ...“
„Ja!“
„Bobo hat meine Airpods zerbissen.“
„Von mir kriegst du keine mehr. Ich sag doch, du sollst deine Sachen hochlegen.“
„Auf den Schrank? Da ist kein Platz mehr.“
Ich singe ein bisschen ein Mantra, dass mir mal mein Yoga-Lehrer beigebracht hat: LOKAH SAMASTAH SUKHINO BHAVANTU. Mögen alle Wesen Glück und Harmonie erfahren.
Der Rest des Tages setzte sich folgendermaßen zusammen: Ich warte im Cafe auf meine Winterreifen. Genauso lang wie auf den Cappuccino, der kalt ist und die Butterbrezel, die hart ist und der Artikel der einfach nur bildblöd ist 50 Gründe, warum die Regierung abtreten soll ... In der Physiotherapie ist die Heizung ausgefallen und die junge Therapeutin leidet unter dem Raynaud-Syndrom. Die Eisfinger lassen meine Lymphe gefrieren. Auf der Wäscheleine zu Hause hängt ein schwarzer Kinderpullover, den ich nicht kenne. Ich guck aufs Etikett und mir gefriert das Blut in den Adern. „Wooolf hast du heute eine schwarze Waschmaschine gemacht?“
Abends möchte ich noch ein bisschen Italienisch mit Duolingo machen – und finde meine Brille nicht. Lauschen. Knuspern. Bobo lieg kauend unter der Eckbank in der Stube. Ich gehe ins Bett. Natürlich nicht ohne Wolf zur Überprüfung der Gegebenheiten unter den Tisch zu schicken ... Mein Kopf tut jetzt noch weh.