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    Schimanskis Jacke

    Auf dem Weg Richtung Erwachsenwerden, was auch immer das heißen mag, ich weiß es bis heute nicht so richtig, sind so genannte Idole quasi hilfreiche Orientierungspunkte und Wegweiser. In meiner Bubertät, quasi kein kleiner Bub, aber auch noch kein wirklicher Mann, mitten in einer Identitäts-Twilight-Zone stehend, weder Fisch noch Fleisch, obwohl die Lust nach andersgeschlechtlichen fleischlichen Erfahrungen einen enormen Wachstumsschub erfuhr – so wie die Haare in meinen Achselhöhlen und dings – da war mein Superidol der Schimanski. Tatort-Kommissar vom feinsten. Dagegen sahen andere Fernsehermittler wie ein Derrick oder nomen est omen Der Alte ziemlich alt aus, mit ihren Schickimicki-Highsociety-Mordfällen. Schimanski greift ins barfüßige und reale Leben, „Verdammte Scheiße noch mal…!“  Schimanski, eine coole Socke vor dem Herrn und Schöpfer! Kein Blatt vor dem Mund, mutig, gegen den Strom schwimmend, aneckend und auflehnend. Ein Haudegen, immer einen flotten Spruch auf den Lippen, Liebling der Frauen, Schrecken der bösen Jungs, Humor in seinen schelmisch-funkelnden Augen, sein Herz am rechten Fleck und stets auf der Zunge tragend und deshalb niemals in Gefahr, zu einem blutleeren armen Schlucker mit chronischem Magengeschwür zu verkommen. Ein Beschützer der Furchtsamen und Entrechteten. Der scheißt sich halt nix, der Schimi. Frage nicht. Der hat alles, was du dir als Dreizehnjähriger und Schüchti mit beginnendem Stimm- und Identitätsumbruch wünschst. Aber hallo. Wie Schimanski wollte ich sein. Mit Haut und Haar und Charakterdings. Denk an Schimanski, wie würde er jetzt reagieren!? Was würde er tun? Sagen? Und vor allem wie? Das waren meine Mut-Macher-Mantras in den Achtzigern. So waren meine Selbstvertrauens-Trocken-Schwimmübungen, um nicht im Ozean der allzu gut gemeinten Ratschläge meiner Umwelt unter zu gehen und zu ersaufen. Eine Schimanski-Jacke musste her! Hammermäßiges Teil! Zumindest eine, die so ähnlich aussah. Weil an die originale M65 Feldjacke in schimanskibeige war nicht ranzukommen, weil Internet und eine mögliche Bestellung im virtuellen Raum noch reinste Science-Fiction waren. Frage nicht. Kleider machen Leute und wenn du so sein willst wie der Schimanski, dann musst du dich auch äußerlich dementsprechend annähern. Die Alten-Testament-Propheten haben ihren Schülern und späteren Nachfolgern ihre Mäntel vermacht, quasi Legitimierung und äußeres Zeichen der inneren Entsprechung. Und als Schutz und Zeichen der Geborgenheit. Quasi ein Raum des Geborgenseins zum Mitnehmen, Umhängen und Anziehen. Schimanski-Jacke, also mein Prophetenwerkzeug. Zur Beweihräucherung meiner selbsterfüllenden Prophezeiungssprüche – so zu werden wie der Schimi Horst! Wenn du sein willst so wie jemand, da musst du ihn auch ein wenig verstehen lernen. In seinen Mokassins spazieren, wie gesagt wird. Und so latschte ich halt mit Schimanskis Jacke durch die Gegend. Mein Oberlippen-Pubertäts-Flaum ging unter Aufbringung aller mir zur Verfügung stehenden Fantasien als Möchtegern-Schimi-Schnauzer durch. Beim Blick in den Spiegel aber: Hühnerbrustalarm! Sofortiger Notfallplan in Kraft getreten: Königsfeder- vulgo Biegehantel-Workout mit Walkman alias Musik im Ohr als mentale Unterstützung für den Aufbau stahlharter und gewölbter Schimanski-Brustmuskeln. Mehr oder weniger erfolgreich. Dann, Mitte der Achtziger, mit fünfzehn, meine Gendarmerie-Aufnahmeprüfung für die  damals dreijährige Ausbildung gemacht. Quasi Lehre als Gendarm angestrebt. Nicht nur wegen Schimanski. Alle Prüfungen bestanden, dann aber einer von vielen Schocks meines Lebens: Genereller Aufnahmestopp. Was würde Schimanski jetzt machen? Schimanski-Zitate ausgepackt, natürlich! Getan und hinausgeschleudert. Götz-Zitat fast ein Kompliment dagegen. Idole kann man nicht hoch genug einschätzen. Du kannst dich an ihnen ausprobieren, austoben, an ihnen reiben, du kannst schauen, ob du wirklich so sein möchtest wie sie, ob du überhaupt so bist im Kern deines Wesens wie deine verehrten Vorbilder. Du kannst mit ihnen experimentieren und eines Tages findest du dich selber dabei. Deine eigene, unverwechselbare Persönlichkeit, die genauso einzigartig ist, wie die deiner Idole. Man möchte im Grunde und bei aller Liebe für seine Idole letztlich niemals eine Eins-zu-eins-Kopie ohne Eigenleben sein. Viele Idole verblassen oder verschwinden mit der Zeit aus deinem Leben. Bei manchen wunderst du dich später nur noch darüber, dass du die einmal angehimmelt hast. Alles selber durchgemacht. Würde ich gegenwärtig Teenager sein, mir würde jetzt spontan kein richtiges Idol der Gegenwart für mich einfallen, das mich wirklich faszinieren würde. Quasi Alarmstufe Rot in Sachen Vorbilder?  Der Schimanski taugt mir heute noch. Frage nicht. Es tut gut, ab und an seine Idole wieder hervorzukramen, das macht ein gutes Gefühl, vor allem in Zeiten, wo es vielleicht nicht so rund läuft. Quasi Energiekick. Danke Schimanski für alles, was ich von dir lernen durfte! Danke Götz George und gute letzte Reise! Vergiss deine Schimi-Jacke nicht.

    SINN-VOLLES FÜR UNS ALLTAGSPHILOSOPHEN

    Michael Bauer war Mönch im Benediktinerkloster St. Paul, Kärnten. Seit vielen Jahren praktiziert er traditionelle christliche und asiatische Meditationsformen. Als begeisterter Läufer entwickelte er zudem eine einzigartige Verbindung zwischen Ausdauertraining und spiritueller Praxis, die er in seinem Buch "Die Seele läuft mit" (Integralverlag) und "Power für die Seele" (Südwest) veröffentlichte.
    Er schreibt exklusiv für den Glyx-Letter.

     

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