Ich komm aus meiner wundervoll relaxenden Fastenwoche zurück. Mit Nerven in Watte gepackt. Glücksblubbern im Bauch. Voller Vitalität und Lebensfreude. Und trau meinen Augen nicht. Berta hinkt. Ausgerechnet unsere Ostereierlieferantin hinkt. Nicht, dass mir das jetzt wichtig wäre mit den Ostereiern. Ich bin eher besorgt über den Zustand meiner Henne – und dem was ich tun muss, um Abhilfe zu schaffen. Meine beiden Hühner sind stolze französische Maran-Damen. Die lassen sich nicht anlangen. Das sind keine Schoßhühner. Um sie zum Arzt zu schaffen, muss ich sie aber anlangen. Ich geh hin und versuch’s. Berta hinkt weg. Ein hinkendes Huhn zu jagen, ist nicht gerade eine gute Idee. Ich ruf erst mal meinen Tierarzt an, ob der auch Hühner behandelt. Ich hoffe, dass es auch hier auf dem Land nicht unbedingt unüblich ist, mit einem Huhn zum Tierarzt zu gehen.
Mir fällt nämlich die Seidenpuschelhuhngeschichte von Paul ein. Er lebt auf Mallorca. Er erzählte mir vor längere Zeit folgendes in seinem Schweizer Dialekt: „Mein Nachbar hatte so Designer-Hühner. Du weißt schon, mit Puscheln an den Füßen. Eines Morgens war eines krank. Da hat er doch glatt sein Designer-Huhn zum Tierarzt gebracht. Und gesagt: Das Huhn ist krank. Es frisst nicht. Er möge doch was tun. Der Tierarzt – er hat seinen Lebtag lang Hühner nur auf dem Teller gehabt – hat ihm innerlich den Vogel gezeigt und gesagt, er müsse es dann aber schon operieren. Und er wisse nicht, wie die Chancen auf Gelingen stehen. Und da hat der Mann dann gesagt: „Gut!" Der Tierarzt hat ihn rausgeschickt – und dem Huhn den Hals umgedreht ... Und gesagt, es wäre nicht mehr zu retten gewesen."
Also eine schreckliche Geschichte. Ich weiß nicht, ob sie wahr ist. Aber sie steckt jetzt fest in meinem Kopf.
Ich nutzte die Gunst der Sekunde, in der Berta ihren Kopf in einem Eimerchen mit Mehlwürmern hat und alles andere nicht sieht. Packe sie in einen Karton und fahre das mit beharrlichem Aufstampfen protestierende Huhn zum Tierarzt nach Traunstein. Er tastet in ihrem Hinterteil, sagt, er könne da was fühlen. Das müsse vielleicht operiert werden. Und er müsse Berta röntgen.
Ich: "Ich geh mit!“ Er: „Nein, Sie können hier warten.“ Ich halte Berta fest. Er guckt schräg. Ich sage: „Die will ich aber wiederhaben!“ „Natürlich. Meinen Sie ich steck sie in den Bratofen?“ Ein bisschen schäme ich mich.
Die Diagnose: Berta muss nicht operiert werden. Sie hat in ihrem Eierausgang wohl eine Entzündung. Und die tut ihr weh. Mensch, denk ich, gut, dass jetzt gerade Winter war, wo sie eh nicht legen. Der Arzt gibt mir Antibiotika in einer Spritze mit und ein entzündungshemmendes Schmerzmittel. „Und wie geb‘ ich ihr das?“ „Einfangen, auf den Schoß setzen, Schnabel auf, reinträufeln.“ Und schon steh ich mit meinem stampfenden Huhn im Karton auf der Straße.
Auf den Mehlwürmer-Eimer-Trick fällt sie nicht mehr rein. Sie sieht mich und marschiert stolz hinkend rasant davon.
Es gibt keine Probleme, nur Lösungen. Und da muss man halt ein bisschen rumtelefonieren. Unter Hühnerhaltern. Das Ergebnis: Nachts wenn’s dunkel ist, schleich ich mich ans Hühnerhaus. Steig rein. Und pflück sie von ihrer Stange. Setze sie im Wohnzimmer auf meinen Schoß. Da guckt sie zwar überrascht, macht aber den Schnabel auf für ihre Medizin.
Und was gab‘s heute? Drei Tage später? Ein Ei. Ein Osterei. Allerdings wollen wir es ob der Antibiose und der Schmerzmittel drin nicht bunt gefärbt ist Nest legen.